Horrende Preise für hohe Platzierungen in den Suchergebnissen – Wer zahlt?
Weihnachten steht schon fast wieder vor der Tür. Viele versetzt das in eine großzügige Stimmung und sie wollen ihre Reichtümer teilen. Die Unentschlossenen suchen auf Google nach einem Zweck, den sie unterstützen möchten. Doch da werden von Organisationen gut und gerne 30 Euro pro Klick für Top Platzierungen gezahlt. Wohin geht also das Geld?
Es ist ein linkes Spiel: So viel für Werbung auszugeben, wenn die Spender doch denken, dass all ihr Geld an Bedürftige geht. Wer ist hier verantwortlich? Und vor allem: Was bedeutet das für die Spendengelder?
Spenden – doch an wen?
Weihnachtszeit ist Spendenzeit
Vielen von uns wird an Weihnachten vermehrt bewusst, wie gut wir es haben, und wir entschließen uns, andere an unserem Reichtum teilhaben zu lassen. In diesem Fall führt der erste Schritt oft in die Richtung einer Suchmaschine. Schließlich muss ein „guter Zweck“ her – eine Organisation, an die gespendet werden kann.
Ein kurzer Blick in die Google Trendanalyse, einem Werkzeug, mit dem die Beliebtheit eines Suchbegriffes in Relation zu sich selbst festgestellt werden kann, zeigt, dass dieses Szenario realistisch ist. Zwar sind die Deutschen immer hilfsbereit, doch um Weihnachten herum lässt sich ein klarer Anstieg der Beliebtheit erkennen. Auch Statista bestätigt das: Im Dezember wurde 2017 gut drei Mal so viel gespendet wie in den meisten anderen Monaten. Für Spenden ist im Winter Hochsaison.
Abbildung 1: Um Weihnachten herum wird der Suchbegriff „spenden“ beliebter
Warum wird gespendet?
Der Gedanke dahinter ist ein selbstloser. Für den durchschnittlichen Spender ergibt sich allenfalls ein emotionaler Profit aus einer solchen Handlung. Die Absicht ist es, zu helfen. Und es wird erwartet, dass auch alles Geld an dem beworbenen Zielort ankommt – sei es nun ein Kinderdorf oder die Katastrophenhilfe. Natürlich ist das nicht zu hundert Prozent realistisch: Auch gemeinnützige Organisationen haben administrative Ausgaben, die bezahlt werden müssen. Doch diese werden als Bruchteil der Gabe gesehen und deshalb akzeptiert.
Wenn jetzt nach der Eingabe des Suchbegriffes die Entertaste gedrückt wird, empfangen den Suchenden die Suchergebnisse. So weit, so gut. Doch Obacht: Über den natürlichen Suchergebnissen befinden sich vier bezahlte Anzeigen.
Abbildung 2: Über den natürlichen Suchergebnissen befinden sich vier bezahlte Anzeigen, die um Spenden werben
Ist im Kampf um Spenden jedes Mittel recht?
Gekaufte Klicks
Das sind Googles AdWords Anzeigen (seit kurzem Google Ads genannt), durch die sich Unternehmen von den natürlich generierten Ergebnissen absetzen und sich so einen Vorteil verschaffen können. Im Internet gilt nämlich immer noch das alte Sprichwort: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Wer also in den Suchergebnissen am weitesten vorne liegt, hat die größte Chance, Spenden zu erhalten – so die Theorie. Dies setzt allerdings voraus, dass die Deutschen wahllos dem ersten Zweck spenden, den sie sehen, und nicht aus Überzeugung.
Kostenlos ist das alles selbstverständlich nicht: Google berechnet bei diesen Anzeigen pro Klick. Dabei kann der Preis sehr variabel sein. Werbeschaltende entscheiden selbst, wie viel sie für Ihre Anzeigen bezahlen möchten – werden sie allerdings von einem Mitbewerber überboten, so erlangen sie weniger Sichtbarkeit. Google selbst berechnet in seinem Tool Keyword-Planer, das zur Erstellung der AdWords Anzeigen genutzt werden kann, einen vorgeschlagenen Klickpreis. Diesen zu unterschreiten, kann bei hohem Wettbewerb unklug sein.
Hoher Wettbewerb um Hilfe
Und der Wettbewerb um Spenden ist enorm. Irgendwo ist immer irgendetwas. Rund um die Welt fehlen Essen und medizinische Versorgung, Schulen und Gebiete, in denen Artenschutz betrieben wird. Unzählige Organisationen haben sich unterschiedliche Hilfeleistungen auf das Banner geschrieben – doch ohne Spenden geht nichts.
Google sieht dies ebenfalls so. Laut Keyword-Planer wird derzeit pro Monat der Suchbegriff „spenden“ durchschnittlich 9.900 Mal gegoogelt. Der vorgeschlagene Klickpreis liegt bei unglaublichen 14 Euro und 77 Cent – und das, obwohl nicht einmal Hochsaison ist. Denn im Dezember steigt die Zahl der Suchanfragen auf rund 22.000. Da Weihnachten noch ein wenig hin ist, steht es zu vermuten, dass der Klickpreis weiter steigen wird.
Abbildung 3: Der vorgeschlagene Klickpreis für das Keyword „spenden“ liegt bei 14 Euro und 77 Cent
Selbstverständlich klickt nicht jeder Suchende auf diese Anzeigen. Doch ist zu vermuten, dass es viele tun – schließlich wirbt Google mit einem hohen Return on Investment und Anzeigen in anderen Branchen haben sich als äußerst effektiv erwiesen. Es wird also das ausgegebene Geld um ein Vielfaches wieder gewonnen. Besonders perfide scheint dies allerdings, wenn man nach einem spezifischeren Begriff sucht: „Kinderpatenschaft“.
Kinder kosten mehr
Nur durchschnittlich 720 Personen monatlich suchen laut Keyword Planner nach diesem Begriff, an Weihnachten sind es um die 1.500. Doch trotzdem ist die Konkurrenz hoch: Der vorgeschlagene Klickpreis liegt aktuell bei 34 Euro und 9 Cent. „An Weihnachten geht ein Klick hier locker für 50 Euro“, sagt Winfried Wengenroth, Geschäftsleiter der ONMA Online Marketing GmbH und Experte auf diesem Gebiet. Selbst 34 Euro sehen dagegen blass aus – und Weihnachten ist nicht mehr weit entfernt.
Abbildung 4: Ein Klick für das Keyword „Kinderpatenschaft“ soll über 34 Euro kosten
Und was passiert mit dem Spendengeld?
Die große Frage hier ist: Wo bleibt das Geld? Nicht jeder Klick hat eine Spende zur Folge. Und selbst wenn gespendet wird, dann ist es nicht garantiert, dass die Spende hoch genug ist, um den Preis der Anzeige zu decken. Dem Deutschen Spendenrat zufolge lag die durchschnittliche Spendenhöhe pro Spendenakt in 2017 bei 35 Euro. Bei dem Klick auf eine bezahlte Anzeige geht also gut und gerne die Hälfte davon verloren. Oder nicht?
Google, der gute Samariter?
Google Ad Grants
Google hat vor einiger Zeit ein Projekt für gemeinnützige Organisationen ins Leben gerufen: Die Google Ad Grants. In 50 Ländern rund um die Welt können sich Spendenempfänger also darum bewerben, kostenlos Anzeigen einstellen zu können. Der Haken: Das Budget für kostenlose Anzeigen wird bei 10.000 Dollar gekappt. Bei einem Klickpreis von 14 Euro und 77 Cent bedeutet das bei aktuellem Wechselkurs 594 kostenlose Klicks. Immerhin, das ist lobenswert.
Doch das tägliche Budget ist auf 329 Dollar begrenzt, was immerhin noch 22 Klicks zu dem erwähnten Preis ermöglicht. Würde dieses Budget täglich ausgeschöpft, würde es jedoch gerade einmal für 30 Tage reichen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass bestimmte Organisationen auch nach den aufgebrauchten Klicks noch Anzeigen schalten. Und wenn man bedenkt, wie oft diese und verwandte Begriffe im Monat gesucht werden, dann könnten es sehr viele sein. Was also in Googles Tasche fließt, könnten weitaus mehr als die 10.000 Dollar sein, die es „spendet“.
Mehr Spenden – gut oder schlecht?
Moralisch einwandfrei erscheint dies nicht. Doch Google ist ein Unternehmen – es ist da, um Geld zu machen, Gemeinnützigkeit kann es sich nur begrenzt auf den Schirm schreiben. Der enorme Wettbewerb ist es, der die Klickpreise in die Höhe treibt. Es gilt hier also, sich den Spendensammlern und den Spendern zuzuwenden.
Auch wenn bei diesen Anzeigen ein Return on Investment nie und nimmer garantiert ist, so ist er oft doch groß. Das ist an sich eine gute Sache: Viele würden es als positiv ansehen, dass mehr Geld an einen gemeinnützigen Zweck geht.
Doch das Buhlen um Aufmerksamkeit hat auch einen anderen Effekt: Die Organisationen, die weniger oder gar nichts für diese Art von Werbung ausgeben, befinden sich dementsprechend im Nachteil. Dieser wird sicherlich dadurch zu spüren sein, dass weniger Spenden einfließen. Im Grunde findet so eine Umverteilung des Spendenkontingents statt. Besonders fair klingt das nicht.
Selbst handeln
Die Spender sind in dieser Situation jedoch keine hilflosen Opfer. Mit einigen einfachen Mitteln können Spendenwillige die Chance erhöhen, dass ihr Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird.
Wer verhindern will, dass ein Teil seiner Spende an Google geht, kann ganz einfach die Anzeigen nicht anklicken. An die Schalter der Anzeigen kann natürlich immer noch gespendet werden – oft stehen diese im natürlichen Suchmaschinenranking ebenfalls weit oben.
Weihnachten ist eine Zeit der Besinnlichkeit. Und Besinnung hilft auch hier: Wer nicht einfach nur wahllos auf eines der ersten Ergebnisse klickt und spendet, sondern herunterscrollt, recherchiert und vergleicht, findet eventuell sogar einen Zweck, der ihm besser gefällt.
Wichtig ist es, das Vertrauen nicht zu verlieren. Es sind nicht nur die Organisationen auf Hilfe angewiesen – nein, hauptsächlich sind es die Menschen, denen diese Organisationen helfen wollen. Wer sich also gründlicher vergewissert, der kann sich am Ende auch sicherer sein, dass sein Geld da ankommt, wo es hin soll.
(Stand der Klickpreise: 04.12.2018)